linalupa – Teil 2: Die Wahl des Produktionsortes
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Woraus besteht unsere Kleidung? Und wer stellt sie eigentlich her? Aus den Antworten auf diese zwei Fragen haben wir die zehn Leitsätze von linalupa abgeleitet. Im ersten Artikel «linalupa – Teil 1: Die Wahl der Materialien» hast du die Entscheidungsgrundlagen für unsere Materialwahl bei linalupa kennengelernt. In diesem zweiten Magazinbeitrag gehen wir der zweiten Frage nach: Wer macht unsere Kleidung?
Vor der Gründung von linalupa wollten wir verstehen, wie unser Kleiderkonsum die Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie beeinflusst und wieso es so schwierig sein kann, gewohntes Verhalten und festgefahrene Produktionsweisen zu ändern. Die gewonnenen Erkenntnisse haben uns darin bestärkt, bei der Produktion unserer Kleidung auf Swiss made zu setzen.
Wie Verzerrungen unsere Wahrnehmung und unsere Entscheidungen beeinflussen
Eigentlich wissen wir, dass wir weniger Kleider kaufen sollten. Dass wir auf Qualität achten und uns fragen sollten, wo und unter welchen Bedingungen das Top hergestellt wird, das wir uns kaufen möchten. Wir wissen, dass wir unsere Pullover länger tragen und weniger waschen sollten. Und trotzdem wird in der Schweiz viel Kleidung gekauft und oftmals wenig später wieder weggeworfen. Allein im Jahr 2021 wurden in der Schweiz pro Person 6,9kg Textilien entsorgt.[1] Wieso ist Kleidung uns so wenig wert, wo sie doch grösstenteils in Handarbeit genäht wird und wo wir doch wissen, dass unser Konsumverhalten Menschen und Umwelt stark beeinflusst?
Verzichtet unser soziales Umfeld auf den Kauf von Fast Fashion, ist es wahrscheinlicher, dass wir es auch tun.
Damit wir unser Verhalten ändern, müssen uns Sachverhalte und die Konsequenzen unseres Handelns nicht nur klar sein, sie müssen uns auch auf eine Art und Weise berühren, die uns Massnahmen als dringlich erkennen lässt. Gleichzeitig leben wir in Gemeinschaften und andere Menschen, ob wir direkt mit ihnen interagieren oder nicht, spielen eine grosse Rolle, wenn es um unsere Entscheidungsfindungen geht. Wenn ich mir zum Beispiel sage, dass meine individuelle Verhaltensänderung ohnehin nichts bewirkt, wenn doch alle anderen Menschen weiterhin Fast Fashion kaufen, dann gebe ich selbst Verantwortung ab, werde nicht aktiv und bemühe mich nicht um ein anderes Konsumverhalten.
Achtet unser soziales Umfeld darauf, nachhaltige Kleidung zu kaufen, neigen wir dazu, ebenfalls auf unseren Kleiderkonsum zu achten. Tun sie es nicht und kaufen ständig neue Kleidung, ist es wahrscheinlich, dass wir es ihnen gleichtun, weil wir zur Gruppe gehören wollen und es einfacher ist, Teil der Gemeinschaft zu sein, wenn wir uns gut in sie einfügen. Und selbst wenn wir keinen sozialen Ausschluss fürchten, wenn uns das Wissen um die negativen Folgen unseres Konsums in einer Tiefe erreicht, die uns aus eigenem Antrieb zu einer Verhaltensänderung bewegt und wir dem Bedürfnis nach neuer und günstiger Kleidung widerstehen, sind wir nicht davor gefeit, ein «schädliches» Verhalten, wie Autofahren oder Flugreisen, mit einem «guten» Verhalten, wie dem Verzicht auf Fast Fashion, zu legitimieren.[2]
Als Konsument*in ist es wichtig, sich dieser Mechanismen bewusst zu sein, die uns bei Entscheidungsfindungen beeinflussen können. Gleichzeitig dürfen für die Missstände in der Bekleidungsindustrie nicht nur einzelne Menschen und ihr Verhalten verantwortlich gemacht werden.[3] Sowohl die Politik als auch die Betriebe, die mit Textilien ihr Geld verdienen, sind Teil des Problems.
Fast Fashion
Jedes Jahr werden um die 150 Milliarden Kleidungsstücke produziert.[4] Die europäische Union (EU) schätzt, dass im Jahr 2020 in der EU 6,6 Millionen Tonnen Textilien und Schuhe gekauft wurden. Pro Person waren das etwa 14,8 kg, davon waren 6 kg Kleider. Allein zwischen 1996 und 2012 hat sich die Menge an Kleidung, die im Schnitt von einer in der EU lebenden Person pro Jahr gekauft wird, um 40 Prozent erhöht. Die EU geht davon aus, dass gut die Hälfte der gekauften Kleidung selten bis nie getragen wird. Und obwohl viel Kleidung gekauft wird, werden jedes Jahr etwa 30 Prozent der produzierten Kleidungsstücke nicht verkauft.[5] Was sind die Gründe für diese deutliche Zunahme des Kleiderkonsums?
Zum einen hat das Aufkommen von Fast Fashion zu einem veränderten Kaufverhalten geführt. Das Geschäftsmodell, das die Fast-Fashion-Firmen verfolgen, sieht so aus: Sie kopieren Styles, die andere in der Branche entwickelt haben und lassen diese Kopien innerhalb von kurzer Zeit in grossen Mengen und oftmals auch aus günstigen Materialien produzieren, um sie dann zu niedrigen Preisen zu verkaufen. Auf diese Weise werden ständig neue Teile zum Verkauf angeboten. Die durchschnittliche Zahl der jährlich präsentierten Kollektionen europäischer Modelabels stieg von zwei im Jahr 2000 auf fünf im Jahr 2011, wobei einzelne Unternehmen wie beispielsweise Zara oder H&M diese durchschnittliche Anzahl Kollektionen um das vier- oder gar fünffache übertreffen.[6]
Gleichzeitig sind die Preise für Kleidung zwischen 1996 und 2018 in der EU um mehr als 30 Prozent gefallen. Obwohl die Menge an gekaufter Kleidung grösser geworden ist, sind die Ausgaben für Kleidung eines durchschnittlichen Haushalts kleiner geworden: Waren es im Jahr 1996 noch 5 Prozent, sanken die Ausgaben im Jahr 2018 auf 3,8 Prozent.[7] So erstaunt es kaum, dass die Möglichkeit, sich oft neue Kleidungsstücke kaufen zu können, zu einem Standard geworden ist, an den sich die Konsument*innen gewöhnt haben und an dem sie sich orientieren. Dass Kleidung günstig ist und ihr kaum mehr ein Wert zugeschrieben wird, wirkt sich auch auf die Arbeitsbedingungen der Menschen aus, die in diesem Sektor arbeiten.
Wo und zu welchem Preis wird unsere Kleidung hergestellt?
In den 1990er-Jahren globalisierte sich der Textilhandel im grossen Stil. Das führte dazu, dass der Textil- und Bekleidungssektor in der EU zwischen 1998 und 2009 die Hälfte der Angestellten verlor und einen Umsatzrückgang von 28 Prozent verbüsste. Seither wird ein Grossteil der Produkte, die in der EU verkauft werden, nicht in der EU hergestellt. Allein in den Jahren 2004 bis 2012 hat der Import von Kleidung von 33 auf 87 Prozent zugenommen. 2019 kamen die meisten Kleiderimporte aus China, Bangladesch, der Türkei, Grossbritannien, Indien, Pakistan, Vietnam, Kambodscha, Marokko und Tunesien.[8]
Komplexe und weltweite Lieferketten im Textilsektor begünstigen Ausbeutung.
Damit der Preis eines Kleidungsstücks tief sein kann, muss bei der Produktion an bestimmten Stellen gespart werden. Zum einen beim Material, mit verheerenden Folgen für die Umwelt. Und zum anderen bei der Sicherheit und dem Lohn der Arbeitskräfte. Der Verein Fashion Revolution fasst die Situation der Arbeiter*innen in der Textilindustrie so zusammen: Der Grossteil der 60 bis 75 Millionen Menschen, davon 80 Prozent Frauen, erhalten für ihre Arbeit einen so geringen Lohn, dass er zum Leben nicht reicht. Selbst die gesetzlichen Mindestlöhne in den meisten Produktionsländern können die für den Lebensunterhalt notwendigen Beträge nicht decken. Ausserdem fehlen in vielen Verarbeitungs- und Konfektionsfabriken grundlegende Gesundheits- und Sicherheitsmassnahmen für Arbeiter*innen.[9]
Die weltweiten und komplexen Lieferketten haben zur Folge, dass viele Firmen, die in der Modebranche tätig sind, nicht wissen, woher das Material stammt, das sie verwenden und wie die Arbeitsbedingungen der Arbeiter*innen sind, die in den Fabriken für die Herstellung ihrer Produkte arbeiten. Und so kann es vorkommen, dass Menschenhandel[10] im Spiel ist und in der Kleidung, die wir tragen, sehr viel Ausbeutung steckt. Ein Team von STRG_F hat sich zum Beispiel mit der Baumwolle aus Xinjiang beschäftigt, jener Provinz, in der Uigur*innen von der Regierung verfolgt und unterdrückt werden. In Lagern und Gefängnissen sollen die Menschen zur Arbeit gezwungen werden, unter anderem auch auf Baumwoll-Feldern.[11]
Swiss made
Wir haben uns gefragt, wie wir dazu beitragen können, eine verantwortungsbewusste Kleiderproduktion zu stärken und die Komplexität zu reduzieren, der wir alle bei Kaufentscheidungen ausgesetzt sind. Dabei erscheint uns ein Punkt besonders wichtig: transparente Kommunikation. Denn je mehr Informationen wir beim Kauf eines Produktes haben, desto handlungsfähiger werden wir und desto überlegter können wir unsere Kaufentscheidung treffen. Deshalb kommunizieren wir über unsere zehn Leitsätze, nach welchen Richtlinien wir unsere Produktion bei linalupa ausrichten.
Wir verpflichten uns, unsere Kleidungsstücke in der Schweiz zu produzieren. Das Label «Swiss made» zeigt dir im Falle von Kleidung an, dass über 60 Prozent der Herstellungskosten sowie die wesentlichen Fertigungsschritte in der Schweiz erfolgen. Die Produktion in der Schweiz hat aus unserer Sicht mehrere Vorteile.[12] Zum einen wird die Kleidung dort genäht, wo sie gekauft wird. Auf diese Weise sind Konsum und Produktionskosten stärker aneinandergebunden und es findet keine Auslagerung statt. Zum anderen sind die Wege kurz, was den persönlichen Austausch zwischen den Produktionsstätten und linalupa fördert und die Distanz verkürzt, die ein Kleidungsstück zurücklegen muss, bis du es tragen kannst.
Wir setzen bei unserer Kleidung auf geradliniges Design und hohen Komfort, damit du sie gerne trägst und lange Freude an ihr hast. Deshalb gibt es bei uns keine Kollektionen und keine kurzlebigen Trends. Wir achten immer darauf, dass jedes Kleidungsstück bequem und vielseitig kombinierbar ist. Um Fehlkäufe zu vermeiden und den Lebenszyklus eines Kleidungsstücks zu verlängern, beschreiben und bebildern wir unsere Kleidung auf der Webseite so, dass du umfassend über die Herkunft des Materials, die Passform des Kleidungsstücks und die richtige Pflege informiert wirst.
Weiterführende Informationen
Eine Zusammenstellung unserer zehn Leitsätze findest du im Menüpunkt Über uns.
Der Frage Woraus besteht unsere Kleidung? gehen wir im Magazinartikel «linalupa – Teil 1: Die Wahl der Materialien» nach.
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